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Geschichten für Große und Kleine und ganz Kleine

Opa Gerhard erzählt eine Geschichte . . .

. . . die Geschichte wie der Zaunkönig seine Königswürde an den Holzwurm verlor

        Eine Fabel für „Kinder“ ab 40 Jahren (1)

        

        Die Gebrüder Grimm erzählen uns, wie der Zaunkönig zu seinem Namen kam und Opa Gerhard erzählt euch jetzt, wie dieser seine Königswürde wieder abgab.

        Es ist schon lange her, da kam den Vögeln in den Sinn, sie wollten nicht länger ohne Herrn sein und einen unter sich zu ihrem König wählen. … An einem schönen Maimorgen kamen die Vögel alle aus Wäldern und Feldern zusammen, Adler und Buchfink, Eule und Krähe, Lerche und Sperling, was soll ich sie alle nennen? Selbst der Kuckuck kam und der Wiedehopf. Auch ein ganz kleiner Vogel, der noch keinen Namen hatte, mischte sich unter die Schar.

        Doch nach welchen Gesichtspunkten sollte man den König auswählen? Welche Eigenschaften und Fähigkeiten sollte ein König haben?

        Der, der aus der entferntesten Gegend gekommen war, sollte den ersten Vorschlag machen. Der Pinguin, er war um die halbe Welt gereist, watschelte nach vorne und sagte. „Ich meine, für einen König ist es sehr wichtig, dass er große Strapazen aushalten kann, auch dem schlimmsten Wetterunbill muss er gewachsen sein, kurz er sollte auch eisige Kälte aushalten können, so wie sie ständig in meiner Heimat, in der Antarktis, herrscht.“

        Alle Vogelarten kamen nach und nach zu Wort. „Ich denke“, sagte der Vogel Strauss, „ein König muss eine stattliche Figur haben, so wie ich; und auch seine Eier sollten sehr stabil und groß sein, damit sie immer heil bleiben.“ Die Nachtigall war völlig anderer Ansicht: „Für eine Person in hoher Stellung ist es äußerst wichtig, dass sie eine gute Stimme hat“ sprach sie. „Ein König muss so wunderschön singen können wie ich.“ „Und gut schwimmen muss ein König auch können, so wie ich“ quakte die Ente.

        Die meisten Vögel hatten ihre Ratschläge, nach welchen Gesichtspunkten der König auszuwählen sei, schon gegeben, da flatterte der Graupapagei heran. Wissenschaftler zählen ihn zu den intelligentesten Vogelarten. Überheblich und angeberisch verkündete dieser den Anwesenden: „Was soll das? Ob ein König groß oder klein ist, ob er schwimmen oder singen kann oder nicht, das ist doch völlig gleichgültig. Wichtig ist nur, dass er intelligent ist wie ich, dass er auch die menschliche Sprache beherrscht, so wie ich. Nur ich kann König werden. Ich bin der Primus unter euch allen.“

        Irgendwann wurde es dem Adler zu dumm, alle die Vorschläge anzuhören. „Ich werde euch jetzt was sagen“, sprach er. „König soll der werden, der am höchsten in den Himmel steigen kann. Und damit ein für alle Mal basta und keinerlei weitere Diskussionen!“

        Viele waren mit diesem Vorschlag keineswegs einverstanden; doch niemand wagte, laut zu widersprechen.

        Es ward nun beschlossen, sie wollten gleich an diesem schönen Morgen aufsteigen, damit niemand hinterher sagen könnte: „Ich wäre wohl noch höher geflogen, aber der Abend kam, da konnte ich nicht mehr.“ Auf ein gegebenes Zeichen erhob sich also die ganze Schar in die Lüfte. Der Staub stieg da von dem Felde auf, es war ein gewaltiges Sausen und Brausen und Fittichschlagen, und es sah aus, als wenn eine schwarze Wolke dahinzöge. Die kleinern Vögel aber blieben bald zurück, konnten nicht weiter und fielen wieder auf die Erde. Die größeren hielten’s länger aus, aber keiner konnte es dem Adler gleichtun, der stieg so hoch, dass er der Sonne hätte die Augen aushacken können. Und als er sah, dass die andern nicht zu ihm herauf konnten, so dachte er: Was willst du noch höher fliegen, du bist doch der König, und fing an sich wieder herabzulassen.

        Nun, wir wissen alle, unter den Federn des Adlers hatte sich das kleine, namenlose aber überaus schlaue Vögelchen versteckt. Als der Adler an höchster Stelle umkehrte, war es überhaupt noch nicht müde und konnte leicht noch höher steigen als der Adler. So wurde es schließlich zum König ernannt und heißt seit dieser Zeit Zaunkönig.

        Als die anderen Tiere von der Geschichte erfuhren, dachten sie, warum soll es bei den Vögeln einen König geben und bei uns nicht? Die Bienen waren der Ansicht, da sie bereits eine Königin hatten, gebühre ihnen die Ehre, für alle Tiere auch den König zu stellen. Es war kurz vor Beginn des Sommers, wieder trafen sich alle Tiere, auch ein Vertreter der Tierart Mensch, um einen König für alle zu wählen.

        Wieder ergab sich das gleiche Problem, nach welchen Kriterien sollte der König ausgewählt werden. Und abermals wurden von den meisten genau diejenigen Eigenschaften vorgeschlagen, mit welchen sie Vorteile für sich selbst erhofften.

        Der Maikäfer verwies darauf, dass Kinder lieber mit seinesgleichen spielten als mit einem Mistkäfer. „Auf die Schnelligkeit kommt es an“ rief der Gepard.  „Gibt es hier jemand der schneller ist als ich? Ich schaffe bis zu 120 km pro Stunde“. Der Elefant meinte „Tärä, was nutzt hohe Geschwindigkeit? Groß und stark muss ein König sein“. Der Adler wollte es noch einmal probieren mit der größten erreichbaren Höhe. Dieses Mal würde er genau aufpassen, damit man ihn nicht überlisteten könne. Nach und nach kam jeder zu Wort. Als aber der Löwe hervortrat, kehrte ehrfürchtige Stille ein. Was würde er wohl vorschlagen? „Meine Damen, meine Herren“ hob er an, „Wir brauchen doch gar nicht zu diskutieren, nach welchen Gesichtspunkten euer König ausgewählt werden soll. Ich selbst bin doch der Primus unter euch. Ich bin euer König.“

        Der Mensch hatte bis zum Schluss gewartet. Jetzt trat er in die Mitte. „Ich kann nur sagen, eure Vorschläge sind samt und sonders recht dumm. Eure blöden Ideen taugen doch absolut zu nichts. Bei einem König ist es wichtig, dass er intelligent ist, so wie die Affen, so wie vor allem die Menschenaffen. Ich sage, die Affen sind die Primaten unter allen Tieren. Sie sind am höchsten entwickelt. König soll der werden, der unter allen Primaten das größte Gehirn hat, der welcher die am höchsten entwickelte Sprachefähigkeit besitzt, der der unter allen Tieren die höchste Intelligenz aufweisen kann. Kurz derjenige wird König, der das am höchsten entwickelte Tier ist.“

        Zweifellos war der Mensch unter allen Tieren das intelligenteste und so konnte er hoffen, zum König gewählt zu werden.

        Den Anwesenden gefiel diese Anmaßung und Arroganz des Menschen gar nicht. Als sie noch überlegten, wie sie auf die Worte dieses Tieres reagieren sollten, kam ein Holzwurm angeschnauft.

        „Entschuldigt bitte, dass ich zu spät komme. Ich saß in einem dicken Holzbalken fest und musste diesen erst noch durchnagen, um heraus zu kommen. Und der Weg hierher war für mich auch recht weit. Denn ihr wisst ja, dass ich nicht der Schnellste zu Fuße bin. Im Übrigen bin ich heute zum ersten Mal aus meinem Balken heraus gekommen. Ich wohne ja dort recht bescheiden; fresse ohne jegliche Abwechslung Tag für Tag vom gleichen, trockenen Holz, trinke nie im Leben auch nur einen Tropfen Wasser.“

        Die Tiere hörten das mit Erstaunen. Nur von trockenem Holz zu leben, nie Wasser zu trinken, immer in ein und demselben Holstück zu leben, das schien unmöglich zu sein. Kein einziger unter ihnen konnte so etwas. Bei einem Versuch würden alle von ihnen schon nach kurzer Zeit verhungert und verdurstet sein. Da so ein Leben nachweislich dem Holzwurm möglich war, so kamen alle Tiere mit Ausnahme des Menschen überein, dass der Holzwurm die am höchsten entwickelte Tierart ist. Auch der Zaunkönig war damit einverstanden und so sollte der Holzwurm von nun an ‚Holzkönig‘ heißen.

        Das bescheidene Tier dankte für die große Ehre und meinte: „Ach ihr sollt mich nicht ‚König‘ nennen, sagt einfach weiterhin zu mir ‚Holzwurm‘.“

(1) Man kann sicherlich die Geschichte auch Kindern ab 5 Jahren erzählen und sie werden sie in einer ihrem Alter entsprechend Art und Weise verstehen. — Warum „für Kinder ab 40?“   In Süddeutschland sagt man, mit 40 Jahren kommt man ins „Schwabenalter“:  „Hier werde‘  d’Leit‘  erscht mit 40 gscheit“ (weise und abgeklärt). Und so ist zu hoffen, dass in diesem Alter der eine oder andere nicht nur im Stande ist, sondern hierzu auch bereit, sein Weltbild und die Stellung des Menschen zu überdenken.   [nach oben]


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